Wie steht es um die tatsächliche Gewaltenteilung in Deutschland, wie sie das Grundgesetz vorsieht ?
Hier eine interessante Arbeit : die 2010 erschienene Dissertation von Dr. Udo Hochschild.
Der Autor ist 1944 geboren, in Karlsruhe aufgewachsen, wirkte zunächst in Baden-Württemberg, ab 1991 bis Ende 2007 in Leipzig und Dresden als Zivil-, Straf-, Sozialversicherungs- und Verwaltungsrichter. Er war Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dresden und Vorsitzender eines Richterverbands.
Wenn wir in wirtschaftlich oder politisch schwere Zeiten steuern, dann halte ich dieses System für ausgesprochen gefährlich. Und dieses System, das letztlich aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts stammt und nie im Prinzip verändert worden ist – das birgt Gefahren.
Ich möchte diese Machtfülle nicht in den Händen von unverantwortlichen Politikern sehen.
In Deutschland ist die Justiz fremdbestimmt. Sie wird von einer anderen Staatsgewalt – der Exekutive – gesteuert, an deren Spitze die Regierung steht. Deren Interesse ist primär auf Machterhalt gerichtet. Dieses sachfremde Interesse stellt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung dar.
Der deutsche Staatsaufbau verhindert nicht die Bündelung von Macht in wenigen Händen: Eine politische Partei oder Parteienkoalition stellt die Mehrheit im Parlament sowie die Regierung und beherrscht beide Organe; der Justizapparat untersteht der Regierung.
Der demokratische Rechtsstaat in Deutschland hat eine offene Flanke. Solange akzeptable Politiker das Sagen haben – – – darf man darüber hinwegsehen?
Richter sind keine Diener der Macht, sondern Diener des Rechts. Deshalb müssen Richter von Machtinteressen frei organisiert sein. In Deutschland sind sie es nicht.
Zwar hat das Grundgesetz eine Dreiteilung der Staatsgewalt vorgesehen, die Politik ließ aber den 1949 vorgefundenen, aus dem Kaiserreich überkommenen Staatsaufbau unverändert.
Bis zum heutigen Tage.
Deutschland kennt nur zwei organisatorisch voneinander unabhängige Träger der Staatsgewalt, die Legislative und die Exekutive.
In dem gegenwärtigen deutschen Staatsaufbau ist die Judikative in die Exekutive integriert – der gesamte Justizapparat untersteht der Regierung.
Die Justizminister arbeiten in Bund und Ländern unter dem Dach einer Regierung, deren Mehrheitsentscheidungen ausgesetzt und zur Regierungsloyalität verpflichtet.
Die Dissertation :
(Frankfurt a.M., 199 S., dissertation.de-Verlag im Internet Gmbh Berlin, ISBN 978-3-86624-502-0)
BR DokThema : Deutsche Justiz – Wie gefährdet ist unser Recht ?
Von: Thomas Hauswald und Claudia Erl, 22. Feb 2017
BR Fernsehen, Seite zur Sendung
BR Mediathek, die Sendung (online bis 22. Feb 2022)
ARD-Themenwoche „Gerechtigkeit“ | tagesschau24
Deutsche Justiz – Wie gefährdet ist unser Recht?
Sendung vom 11. Nov 2018
Thomas Hauswald untersucht die Rolle der Richter, Staatsanwälte und der Polizei in einem Justizsystem, das immer noch nach dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 organisiert ist. Zu Wort kommen renommierte Juristen wie Thomas Fischer, Vorsitzender des 2. Strafsenats am BGH in Karlsruhe, Udo Hochschild, ehemaliger Richter und Verfasser der Dissertation « Gewaltenteilung als Verfassungsprinzip », und die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Deutschland hat faktisch keine Gewaltenteilung wie in vielen anderen Ländern Europas, die Staatsanwälte sind dem Justizministerium weisungsgebunden unterstellt und die Richter werden durch Einstellung, Beförderung und Beurteilung vom Justizministerium gesteuert.
Die Unterordnung der dritten Gewalt, der Judikative, unter die zweite Gewalt, die Exekutive, wäre ein Problem, wenn sich die Zeiten von stabilen politischen Verhältnissen ändern. Eine Regierung könnte über die Staatsanwaltsanwaltschaft beeinflussen, gegen wen ermittelt wird und durch die Auswahl von Richtern tendenziell Einfluss auf die Verurteilung nehmen. Dieses Szenario ist im Rahmen der heute gültigen Strukturen und Gesetze möglich.
Der Europarat hat Deutschland aufgerufen, diese Strukturen zu ändern. DokThema geht der Frage nach, warum die Politiker die drohende Gefahr für die Zukunft nicht erkennen wollen und zeigt, welche psychologischen Faktoren bei Polizisten, Staatsanwälten und Richtern bereits heute zu einseitigen Ermittlungen führen.